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Zeitungsbericht vom 12. Juli 2012


Andreas Koch an der Arbeit: In seiner kleinen Werkstatt macht er alte Velos vom Schrottplatz wieder «neu». Bild: eag

 

Neues Leben für Schrottplatz-Velos

«Velo- Koch», die etwas andere Huttwiler Werkstatt. Fahrräder sind seine Leidenschaft. Seit bald zwölf Jahren führt Andreas Koch im Städtli seine kleine, in dieser Art wohl einzigartige Velo-Werkstatt: Er restauriert alte Vehikel vom Schrottplatz. Ein Besuch des «Unter-Emmentaler» bestätigt – der 42-Jährige versteht sein Handwerk.

Der Eingang zu «seinem Reich», im Haus an der Spitalstrasse 29, ist leicht zu übersehen. Doch wer die Treppe in den ehemaligen Keller hinuntersteigt, steht vor einer komplett ausgestatteten kleinen Werkstatt. Hier, gleich neben dem Raum, wo Nostalgie-Fahrräder in Reih und Glied an der Wand hängen, steht der Handwerker Andreas Koch: Er montiert an ein altes Rad neue Brems- und Schaltkabel. «Das wird ein gutes Alltagsvelo werden, weil es noch mit hochwertigen und soliden Komponenten ausgerüstet ist», erklärt der Fachmann. Das Schweizer Velo stamme aus einer Hausräumung. «Am liebsten jedoch sind mir Räder vom Schrottplatz!» Und irgendwie passen die alten Vehikel zu Andreas Koch und seiner Sichtweise des Lebens. Er, der gerne sein eigener Meister ist, führt seit bald zwölf Jahren die unvergleichliche «Koch-Velo»-Werkstatt in Huttwil.

 
Lieber Handwerker sein
Andreas Koch, in Willisau aufgewachsen, wollte eigentlich nach der Kantonsschule studieren: Entomologie (Insektenkunde). Doch er merkte bald: «Student sein, ist nicht meine Welt.» Viel lieber habe er ein Handwerker sein wollen. Als eine Notlösung erlernte Koch den Beruf des Autolackierers. Doch Autos interessierten ihn wenig – seine Leidenschaft galt den Fahrrädern. «Jeder Velofahrer ist und war mir schon als Schulbub sympathisch», erzählt der heute 42-Jährige schmunzelnd. Schon damals habe er sich brennend für ökologische Themen interessiert.
 
Kein Geld – aber Haselnüsse
Der junge Berufsmann wurde als Autolackierer nicht wirklich froh. Deshalb hängte er seinen Beruf alsbald an den Nagel, packte seine Sachen zusammen und bereiste die Welt. «Ich habe mal dort und mal hier gejobbt, so dass es immer gerade zum Leben reichte», erinnert er sich. Als Andreas Koch für längere Zeit arbeitslos wurde, wollte er auf gar keinen Fall vom Staat abhängig werden. Bevor er ausgesteuert worden sei, habe er sich kurzerhand Künstler genannt und so auf Sozialbeiträge verzichtet. «Ich hatte damals zwar keine Arbeit und kein Geld – aber ich hatte einen Garten mit Haselnüssen.» Er lacht herzlich. Als Koch dann den leerstehenden Keller im Haus entdeckte, holte er seine ersten Velos vom Schrottplatz und machte seine Leidenschaft zum Beruf. 
 
Wertschöpfung vor Ort
Heute ist die kleine Werkstatt mit 45 glänzenden Velos jeder Marke und jeden Alters gefüllt. Blickt der Handwerker durch die zwei exakt aufgeräumten Räume, scheint es, als gehe sein Herz auf: Er zeigt auf ein hellblaues Dreigangvelo – Jahrgang 1974 – und schwärmt: «Ein beliebtes Fahrzeug, das einen nie im Stich lässt.» Koch kennt seine Kunden gut und weiss, welches Velo zu wem passen könnte. Er macht aber auch den Service an Fahrrädern oder repariert sie. Wenn er sagt, er liebe seine Arbeit, glaubt man ihm das. Ihm gefalle halt, dass die Wertschöpfung in der Werkstatt ohne grosse Investitionen – hauptsächlich durch Handarbeit – geschehe; deswegen sehe er in seinem Beruf auch einen tieferen Sinn.   
 
«Büezer»  und Künstler
Andreas Koch ist ein bodenständiger «Büezer» – und ein Künstler: Er restauriert nämlich auch Oldtimer. «Eine detailgetreue Restauration und ein sorgfältiger Neuaufbau ergeben ein Oldtimer-Fahrrad mit neuwertigen Fahreigenschaften», begeistert er sich. Tatsächlich, im kleinen Raum ist so ein Unikat Jahrgang 1940 zu bestaunen. Eine weitere Passion von ihm ist die Museumsrestauration, also das Erhalten historischer Fahrräder. Und sogar klassische Pedersen Hängesattelvelos hat er einst selbst gelötet. Eine Damenversion beispielsweise – ein Patent von 1899. Der Velospezialist war im ganzen Land sogar der einzige Erbauer dieser Rarität. Es ist ihm jedoch zu aufwendig geworden. Zumal auch der Unterhalt der kleinen Schlosserei, die er für den Aufbau dieser speziellen Velos betreiben musste, sich nicht rechnete. 
 
Ein Garten voller Beeren
«Dieses Jahr konnte ich bereits über 100 revidierte Fahrräder an Velobörsen verkaufen», freut sich Andreas Koch. Vermögend werde man zwar davon nicht, aber echter Reichtum liesse sich kaum am Einkommen messen. «Natürlich», räumt er ein, «seit ich eine Familie habe, muss das Finanzielle stimmen.» Koch lebt mit seiner Frau Nicole und den beiden Kindern, der 3½-jährigen Klara und dem fünfmonatigen Oliver, in Schwarzenbach in einem Haus mit einem Garten voller Sommerbeeren. Gerne werkle er im Garten, habe es mit seiner Familie gut und einmal in der Woche mache er Yoga. Andreas Koch trennt nicht zwischen Arbeit und Lieblingsbeschäftigung. Was er aber tut, tut er aus voller Überzeugung. 
Elsbeth Anliker    
 

Gut zu wissen:
Öffnungszeiten der Velo-Werkstatt: Montag, Mittwoch und Freitag von 8.30 bis 11.30 Uhr und von 13.30 bis 18.30 Uhr; Samstag von 8.30 bis 11.30 Uhr und von 13.30 bis 16.00 Uhr .   www.velokoch.ch  
 
Quelle : Unter Emmentaler UE Online 3.Juli 2012